In jungen Jahren glauben wir Menschen oft, unsterblich zu sein. Das Thema Alter und Tod ist so weit entfernt, dass wir ungern darüber nachdenken.
Doch mit Mitte 40 merke ich erste Anzeichen: Presbyopie oder auch Alterssichtigkeit führt dazu, dass das Lesen oder scharfes Sehen in der Nähe schwieriger wird. Oft folgt dann die erste Lesebrille. Dies ist für viele eines der ersten Anzeichen des Alterns und der Beginn der Einschränkungen unserer Freiheiten. Leider ist dies erst der Anfang. Weitere Einschränkungen unseres freien und selbstbestimmten Lebens werden im Laufe der Zeit noch folgen.
Auch wenn wir nicht direkt mit einer Krankheit zu kämpfen haben, werden wir merken, dass unser Körper im Laufe der Zeit an Muskelmasse verliert, unsere Ausdauer nachlässt und wir in unserer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Nicht nur, dass wir die geliebten Freizeitaktivitäten nicht mehr in der gewohnten Art und Weise ausführen können, nein, auch im Haushalt kann es sein, dass wir Einschränkungen erfahren. Es macht uns Mühe, etwas aus dem obersten Regal zu holen, oder etwas vom Boden aufzuheben. Das Anziehen der Socken und Schuhe wird mühsamer. Das Gefühl, nicht mehr die gleiche Energie und Vitalität wie in jüngeren Jahren zu besitzen, kann oftmals in einem Gefühl des geringeren Selbstwerts münden.
Hierunter sind die körperlichen Veränderungen, die geschehen, nur ein Teil der veränderten Freiheit, die wir mit dem Alter erfahren.
Auch soziale Veränderungen können sich einstellen und Veränderungen mit sich bringen. Der Ausstieg aus dem aktiven Arbeitsleben kann den Verlust der bekannten und bisher gelebten Freiheit mit sich bringen. Wer im Arbeitsleben stand, war unter Umständen ein wichtiger Teil eines großen Sozialgefüges. Der Ausstieg aus diesem System kann zu einer Einschränkung meiner Freiheiten führen. Es gelingt mir nicht mehr, mich in der gewohnten Art und Weise auszuleben und einzubringen. Es wird mir etwas verwehrt, was ich über Jahrzehnte Tag für Tag gemacht habe. Im schlimmsten Fall kann diese soziale Veränderung zu Einsamkeit und Isolation führen. Gefühle wie der Verlust von Relevanz und des Gebrauchtwerdens können auftreten.
Ab einem gewissen Alter werden die Verluste von Freunden und Bekannten mehr. Dies erinnert uns an unsere eigene Sterblichkeit. Unter Umständen kann uns dies uns unsere eigene Vergänglichkeit verstärkt vor Augen rufen oder mit einer Angst vor dem Tod einhergehen.
Nicht zuletzt kann eine für sich aufgestellte Lebensbilanz zu Unsicherheit und Selbstreflexion führen. Fragen wie die, was im Leben erreicht wurde oder ob dies schon alles war, können auftauchen.
All dies hat mit dem Thema Freiheit zu tun. Als junger Mensch fühlen wir uns frei. Wir haben Aufgaben und Ziele. Wir haben oftmals einen Körper, der vor Energie nur so überschießt und der unkaputtbar scheint. Doch es ist ein natürlicher Prozess, der in der einen oder anderen Weise jedem von uns widerfahren wird, der nur lange genug lebt.
Zum Prozess des Älterwerdens gehört es dazu, zu erkennen, dass wir mit zunehmendem Alter eine Einschränkung unserer Freiheiten erfahren. Wichtig dabei ist aber dann, zu erkennen, dass diese Einschränkungen, die wir erfahren, nicht wirklich eine Einschränkung bedeuten müssen. Denn wir Menschen haben die Wahl, wie wir mit dieser Situation umgehen.
Als Mensch bin ich frei zu leben und zu handeln, wie ich möchte. Die Grenzen sind lediglich die eigenen und die von der Gesellschaft vorgegebenen moralischen und ethischen Barrieren. Das ist die Freiheit, die mir das Leben bietet.
Als Mensch bin ich jedoch auch mit der Gabe ausgestattet, eine zweite Freiheit zu haben. Denn ich bin in der Lage, meine Handlungen und mein Leben zu reflektieren.
Als Teil dieser zweiten, großen Freiheit gehört es dazu, dass ich erkenne und akzeptiere, dass es Dinge gibt, die so sind, wie sie sind. Dies ist der erste Schritt um die zweite Freiheit leben zu können.
Verdeutlichen wir das an einem einfachen Beispiel. Jemand, der an einer Alkoholabhängigkeit leidet, wird erst ab dem Moment in der Lage sein, selbständig Gegenmaßnahmen zu dieser Krankheit einzuleiten, wenn er für sich selbst erkennt und akzeptiert, dass er unter dieser Krankheit leidet. Verschließt er die Augen davor und akzeptiert die Tatsache nicht, wird es schwer werden, etwas gegen die Krankheit zu unternehmen.
Ähnlich ist es mit dem Altern. In dem Moment, in dem ich das Altern für mich als natürlichen Prozess erkenne und akzeptiere, habe ich die Freiheit, die Situation für mich neu zu gestalten. Ich erkenne an, dass das Leben mehr ist, als nur die Einschränkungen, die man eventuell erleben muss. Ich erkenne an, dass es etwas gibt, was nur für mich selbst ist. Ich erkenne an, dass es etwas gibt, was mich individuell und einzigartig und unersetzlich macht.
Aus dieser neu geschaffenen Perspektive habe ich die Möglichkeit, mir meine Freiheit neu zu gestalten.
Für viele Menschen stellt es zum Beispiel einen Einschnitt dar, körperlich nicht mehr so aktiv sein zu können. Das Angewiesensein auf fremde Hilfe stellt für sie einen massiven Einschnitt in die persönliche Freiheit dar.
Das ist eine Weise, auf die Situation zu schauen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Akzeptanz der Situation. Zu akzeptieren, dass körperliche Einschränkungen mit dem Alter einhergehen. Aber auch zu erkennen, dass dies nicht das Ende der Möglichkeiten ist. Zu erkennen, dass eventuell liebgewonnene Freiheiten wegfallen, sich dafür aber andere Freiheiten öffnen.
Ich kann es als Belastung ansehen, dass ich nicht mehr für meinen Haushalt sorgen kann. Ich kann es als Einschränkung meiner Freiheit betrachten, dass fremde Menschen mir plötzlich Dinge abnehmen, die ich früher selbst erledigen konnte. Ich kann die Situation aber auch so beurteilen, dass ich dadurch, dass ich nun nicht mehr selbst für den Haushalt sorgen muss, andere Freiheiten erleben kann, die mir eventuell vorher verschlossen blieben.
Selbstverständlich ist dies kein Muss. Ich muss die Situation nicht so bewerten. Aber ich habe die Freiheit, das zu reflektieren, was mir widerfährt. Ich habe die Freiheit, die Situation unter den gegebenen Umständen neu zu reflektieren. Dies ist einer der Vorteile, die ich als Mensch genieße.
Video von Bettina Schardt im Interview mit Dr. Roger Kusch
Ein interessantes, schon etwas älteres Interview zeigt sehr deutlich, wie die Interviewte die Einschränkung ihrer ersten Freiheiten als Belastung ansieht. Die Ebene der zweiten großen Freiheit, die der Dame offen stünde, findet in diesem Interview leider keinen Platz.
Altern ist ein ganz natürlicher Prozess, dem wir alle entgegentreten, wenn wir lange genug leben. Das Altern muss nicht zwangsläufig zu Schwierigkeiten führen. Es gibt viele Menschen, die durch das Älterwerden eine Bereicherung oder eine Erfüllung in ihren späten Jahren erleben. Jedoch unterscheiden sich die Erfahrungen von Person zu Person. Die Art und Weise, wie wir Menschen das Altern erleben, kann von unserer Einstellung und Haltung zum Leben bestimmt werden.
Wir Menschen besitzen zwei Freiheiten. Die eine Freiheit erlaubt uns, unser Leben in gewissen Grenzen frei zu leben und zu gestalten. Die zweite, noch größere Freiheit, gibt uns die Möglichkeit, die erste Freiheit zu reflektieren. Hierdurch kann ich mich neuen Situationen anpassen und das Beste für mein Leben erreichen.
Verschließe ich mich jedoch der Möglichkeit, von meiner zweiten Freiheit Gebrauch zu machen, kann dies dazu führen, dass ich mich in einem Kreislauf bewege, der sich immerzu um den Verlust der ersten Freiheit dreht. Es wird dann schwer, diesen Kreislauf zu verlassen.
Im Trauerfall sind wir Tag und Nacht für Sie erreichbar.
Denn der Tod wartet nicht, dass morgen ist oder nimmt Rücksicht auf Familienfeste oder Feiertage.
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