Kinderwelten:

Mit Kindern auf dem Karlsruher Hauptfriedhof spielen

Schaukeln, ein Klettergerüst und eine Rutsche: Spielgeräte, die sich auf fast jedem Spielplatz finden. Sie zielen darauf ab, Kinder körperlich und geistig zu fördern und soziale Interaktion zu stärken. Auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe findet sich ein ganz besonderer Spielplatz: “Kinderwelten” heißt der ungewöhnliche Spielplatz, der 2012 eingeweiht wurde. Er soll Ort und Symbol für die Trauer von Kindern und jungen Erwachsenen sein.

Es gibt wenige Friedhöfe in Deutschland, die das Nebeneinander von Leben und Tod so eindeutig zeigen und zulassen.

Kinderwelten

Die Entstehung und Gestaltung des Spielplatzes am Karlsruher Hauptfriedhof

Der Spielplatz wurde mit großer Sorgfalt und Sensibilität gestaltet, um sowohl den Bedürfnissen der Kinder als auch der respektvollen Atmosphäre des Friedhofs gerecht zu werden. Die Spielgeräte sind aus natürlichen Materialien gefertigt und fügen sich unaufdringlich in die Umgebung ein. Er besteht aus zwei Teilen: einem “fröhlichen” und einem “traurigen” – beide sind durch eine kleine Holzbrücke miteinander verbunden. Auf der einen Seite findet sich ein “normaler” Spielplatz, auf der anderen Seite, die spiegelverkehrt gestaltet ist, sind die Schaukeln verkettet, der Sandkasten zugedeckt und die Wippgeräte können nicht benutzt werden. Dieser Bereich steht für die Welt, die durch den Tod von den Eltern oder anderen nahestehenden Personen erstarrt ist. 

Die Idee für das Konzept geht auf Trauerbegleiterin Barbara Kieferle-Stotz zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass sie etwas auf dem Karlsruher Hauptfriedhof entworfen hat. Von ihr stammt auch der “Lebensgarten”, der sich – aus der Perspektive von Erwachsenen – mit Tod und Abschiednehmen beschäftigt. Nun sind Spielplätze nicht nur für die körperliche und soziale Entwicklung von Kindern wichtig, sondern bieten auch Eltern und Betreuern einen Ort, an dem sie sich entspannen und ihre Kinder beaufsichtigen können.

Kontroverse Diskussion um den Spielplatz auf dem Karlsruher Hauptfriedhof

Der Spielplatz auf dem Karlsruher Hauptfriedhof war zur Zeit seiner Entstehung einzigartig in Deutschland und wurde kontrovers diskutiert. Schließlich forderte er die traditionelle Nutzung von Friedhöfen heraus und definierte sie neu.

Was spricht für einen Spielplatz auf einem Friedhof und was dagegen?

Die Präsenz von Kindern und spielenden Familien kann dazu beitragen, die Tabuisierung des Themas Tod und Friedhof zu reduzieren. Kinder lernen so frühzeitig, dass Tod und Trauer Teil des Lebens sind und dass Friedhöfe nicht nur Orte der Trauer, sondern auch der Erinnerung und des Lebens sind.

Gleichzeitig bieten Friedhöfe eine ruhige und grüne Umgebung, die zur Entspannung und Erholung beiträgt. Friedhöfe sind außerdem Orte voller Geschichte und Kultur. Ein Spielplatz auf einem Friedhof kann Kindern auf spielerische Weise Zugang zu historischen und kulturellen Informationen bieten, die sie sonst möglicherweise nicht kennenlernen würden.

Kritiker argumentieren hingegen, dass es respektlos gegenüber den Verstorbenen und ihren Angehörigen ist, auf einem Friedhof zu spielen. Friedhöfe sind traditionell Orte der Ruhe und des Gedenkens, und ein Spielplatz könnte diese Atmosphäre stören.

Das es gelingen kann, beide Welten miteinander zu verbinden, zeigt etwa der Assistens Kirkegård (Assistenzfriedhof) im dänischen Kopenhagen. Die Stadt ist bekannt für ihre innovativen und inklusiven städtischen Planungsansätze. Der Ort ist gleichzeitig Begräbnisstätte wie auch öffentlicher Park. Hier befinden sich Spazierwege, Ruhebereiche und eben auch ein Spielplatz. Der Assistens Kirkegård wird also nicht nur von Trauernden, sondern auch von Familien, Joggern und Touristen besucht, was ihn zu einem lebendigen Teil des städtischen Lebens macht. 

Auch in Deutschland gibt es mittlerweile Überlegungen, beide Welten miteinander zu verbinden. So gibt es im nordrhein-westfälischen Bergisch-Gladbach zwei Waldkindergärten, die in der Nähe von Gräbern liegen. Einer davon liegt komplett im städtischen Friedwald. Die Kinder spielen ganz selbstverständlich in der Nähe von Gräbern, Bestattungen bekommen sie aus nächster Nähe mit. 

Auch in Berlin gibt es auf dem katholischen Friedhof St. Matthias einen kleinen Spielplatz, in unmittelbarer Nähe zu den Kindergräbern. 2017 war es der erste, der sich auf einem noch aktiv betriebenen Friedhof fand. Auf geschlossenen Friedhöfen in Berlin fanden sich schon vorher Spielplätze.

Eine etwas gewöhnungsbedürftige Idee hatte ein Friedhofswärter aus Wien: 1.500 nicht mehr gepflegte Gräber werden hier als Urban Gardening-Flächen vermietet – für 75 Euro im Jahr. Auf den Gräbern wachsen nun Kohlrabi, Tomaten und Zwiebeln. Bedenken hinsichtlich der Hygiene gibt es nicht: Zwischen Sarg und Beet liegt mindestens ein Meter Erde. Auch der St. Jakobi-Friedhof in Berlin-Neukölln baut nun Biogemüse an, ähnliche Projekte gibt es in Braunschweig und in Neuburg an der Donau. 

Der zuvor angesprochene Wiener Friedhof mit 8.600 Gräbern, auf dem unter anderem der Lyriker Friedrich Hebbel ruht – gilt als besonders innovativ: Vor zwei Jahren wurden fünf Grabsteine zu öffentlichen Bücherstellen umgestaltet, mit Büchern die ausgeliehen werden können.

Karlsruher Hauptfriedhof geht mit gutem Beispiel voran

Die Debatte über Spielplätze auf Friedhöfen ist komplex und vielschichtig. Sie berührt grundlegende Fragen des Respekts, der Kultur und der Nutzung öffentlicher Räume. Der Spielplatz auf dem Karlsruher Hauptfriedhof ist ein gutes Beispiel dafür, wie traditionelle Grenzen neu gezogen werden können, um den Bedürfnissen einer sich wandelnden Gesellschaft gerecht zu werden. Dabei ist es entscheidend, die Balance zwischen Spiel und Ruhe, zwischen Leben und Gedenken zu wahren. Der Blick auf internationale Beispiele wie Kopenhagen zeigt, dass solche Projekte erfolgreich umgesetzt werden können, wenn sie mit der nötigen Sensibilität und Rücksichtnahme angegangen werden. Letztlich bleibt die Entscheidung über die Angemessenheit solcher Initiativen eine Frage der lokalen Kultur und der gesellschaftlichen Werte.