Trauer am Arbeitsplatz
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, bleibt für den Trauernden die Welt stehen – aber für alle anderen dreht sie sich einfach weiter. Rechnungen müssen bezahlt werden, E-Mails warten auf Antworten, Kollegen erwarten, dass man wieder funktioniert. Und genau das ist das Problem: Wie soll man weitermachen, wenn sich innerlich alles anfühlt, als wäre es in tausend Stücke zerbrochen?
Als Bestatter sehe ich das ständig. Menschen, die einen schweren Verlust erlitten haben, aber das Gefühl haben, bei der Arbeit „ganz normal“ sein zu müssen. Die sich fragen, ob sie sich zusammenreißen sollen, weil die Kollegen nichts mit ihrer Trauer anfangen können. Oder die nach zwei Tagen Sonderurlaub zurückkehren und feststellen, dass niemand so recht weiß, was er sagen soll.
Sie haben Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, und entscheiden sich dann lieber für das Gegenteil: Sie sagen einfach gar nichts. Und genau das ist oft das Schlimmste für jemanden, der trauert. In diesem Beitrag möchte ich darüber sprechen, warum es so wichtig ist, das Thema Trauer am Arbeitsplatz nicht zu verdrängen – und was Unternehmen tun können, um Mitarbeiter in schweren Zeiten nicht allein zu lassen.
Warum Trauer nicht einfach ausgeblendet werden kann
Es gibt eine unausgesprochene Erwartung in der Arbeitswelt: Trauer gehört ins Private. Wer einen geliebten Menschen verliert, sollte das in seiner Freizeit verarbeiten – und bei der Arbeit am besten so funktionieren wie vorher.
Aber Trauer hält sich nicht an Arbeitszeiten. Sie kommt in Wellen, manchmal mitten im Kundengespräch oder während einer Teamsitzung. Sie macht müde, unkonzentriert, manchmal auch gereizt oder traurig ohne erkennbaren Grund. Manche Menschen reagieren mit Rückzug, andere mit Rastlosigkeit – beides ist normal.
Doch wenn ein trauernder Mitarbeiter das Gefühl hat, dass seine Gefühle bei der Arbeit keinen Platz haben, setzt das zusätzlichen Druck auf ihn. Dann fühlt er sich nicht nur traurig, sondern auch noch falsch.
Viele Betroffene berichten, dass sie sich nach einem Verlust innerlich zerrissen fühlen: Einerseits wollen sie nicht auffallen oder als schwach gelten. Andererseits wissen sie gar nicht, wie sie ihren Alltag wieder auf die Reihe bekommen sollen.
Hier können Arbeitgeber einen großen Unterschied machen – indem sie Trauer nicht als Störfaktor betrachten, sondern als eine Lebensrealität, die uns alle irgendwann betrifft.
Die größte Unsicherheit: „Was soll ich sagen?“
Einer der häufigsten Gründe, warum Kollegen und Vorgesetzte auf Trauernde nicht zugehen, ist Unsicherheit. Viele fürchten, etwas Unangemessenes zu sagen oder ungewollt alte Wunden aufzureißen.
Aber die Wahrheit ist: Schweigen verletzt oft mehr als ein ungeschicktes Wort.
Wer trauert, möchte sich nicht unsichtbar fühlen. Ein einfaches „Es tut mir leid für deinen Verlust. Ich bin für dich da.“ kann schon viel bewirken. Wichtig ist dabei, nicht auf Floskeln wie „Die Zeit heilt alle Wunden“ oder „Er/Sie ist jetzt an einem besseren Ort“ zurückzugreifen – solche Sätze wirken oft unpersönlich oder gar verletzend.
Viel wertvoller ist es, dem Trauernden zu signalisieren: „Ich sehe dich. Ich nehme deine Trauer ernst.“
Manchmal ist es auch okay, einfach ehrlich zu sein: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich bin für dich da.“
Das zeigt mehr Mitgefühl als jedes Beileidsschreiben oder jede auswendig gelernte Beileidsbekundung.
Was Arbeitgeber tun können
Trauer am Arbeitsplatz kann nicht verhindert werden – aber sie kann so begleitet werden, dass Betroffene sich nicht allein gelassen fühlen. Hier ein paar konkrete Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können:
1. Mehr Flexibilität in der Trauerzeit
In Deutschland gibt es gesetzlich nur zwei Tage Sonderurlaub für enge Familienangehörige. Das reicht in den wenigsten Fällen. Einige Unternehmen in Karlsruhe haben daher eigene Regelungen geschaffen und gewähren längere Freistellungen oder flexible Arbeitszeiten für Trauernde.
2. Gespräche statt Standardfloskeln
Ein persönliches Gespräch durch den Vorgesetzten oder ein enger Kollege ist oft wertvoller als eine formelle E-Mail mit „Unser herzliches Beileid“. Wer sich traut, echtes Mitgefühl zu zeigen, wird merken, dass es die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter langfristig stärkt.
3. Angebote für professionelle Unterstützung
Manche Firmen bieten mittlerweile Trauerbegleitung oder psychologische Hilfe für ihre Mitarbeiter an. Organisationen wie trauerkultur³ helfen Unternehmen dabei, solche Angebote zu schaffen und für eine offenere Trauerkultur zu sorgen.
4. Rituale im Unternehmen zulassen
Wenn ein Kollege verstirbt, hilft es vielen, gemeinsam Abschied zu nehmen. Ein Kondolenzbuch, eine kleine Gedenkfeier oder eine Schweigeminute können dabei helfen, den Verlust nicht einfach im Arbeitsalltag untergehen zu lassen.
Unternehmen, die es richtig machen
Einige Firmen setzen sich bereits aktiv für eine Unternehmenskultur ein, in der auch Trauer Platz hat. So bietet beispielsweise dm-drogerie markt mit Hauptsitz in Karlsruhe seinen Mitarbeitern Unterstützung in psychischen Krisen an. Auch die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, die BASF S.E., die EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und einige weitere haben Programme entwickelt, um ihre Angestellten in schwierigen Zeiten zu begleiten.
Solche Unternehmen haben erkannt: Ein gutes Arbeitsklima bedeutet nicht nur, dass die Leistung stimmt – sondern auch, dass sich die Menschen in Krisen nicht allein fühlen.
Fazit: Mehr Menschlichkeit im Job hilft allen
Als Bestatter sehe ich oft, wie schwer es für Trauernde ist, nach einem Verlust wieder in den Alltag zurückzufinden. Der Schmerz sollte nicht einfach ignoriert werden.
Arbeitgeber, die das erkennen und ihre Mitarbeiter in schweren Zeiten unterstützen, schaffen nicht nur eine menschlichere Arbeitskultur, sondern profitieren auch langfristig davon. Denn wer sich in der Krise aufgehoben fühlt, bleibt seinem Unternehmen treu – und bringt sich später umso motivierter ein.
Letztlich geht es um eine einfache Frage: Wollen wir ein Arbeitsumfeld, in dem Trauer verdrängt wird – oder eines, in dem wir als Menschen füreinander da sind? Die Antwort darauf macht den Unterschied.