Umgang mit dem Tod in Altenheimen

Inhaltsverzeichnis

verschiedene Ansätze in der Region Karlsruhe

Der Tod gehört zum Leben – das weiß niemand besser als ein Bestatter. Doch in meiner Tätigkeit habe ich gelernt, dass dieser Satz zwar leicht gesagt, aber schwer gelebt wird. Besonders in Altenheimen zeigt sich das immer wieder. Hier, wo das Leben langsam zur Ruhe kommt, könnte man annehmen, dass der Tod als Teil des Alltags akzeptiert wird. Doch die Realität sieht oft anders aus. In meiner Arbeit in der Region Karlsruhe sowie in Linkenheim-Hochstetten, Graben-Neudorf und Eggenstein-Leopoldshafen habe ich erlebt, wie unterschiedlich der Umgang mit dem Tod in Altenheimen sein kann – von krampfhaftem Verdrängen bis hin zu würdevoller Offenheit.

Das Verdrängen des Unvermeidlichen

Es gibt Einrichtungen, in denen der Tod am liebsten unsichtbar wäre. Besonders deutlich wurde mir das in einem Pflegeheim, als mir unmissverständlich klargemacht wurde, dass Verstorbene am besten mitten in der Nacht abgeholt werden sollten – ‚damit es keiner mitbekommt‘. Diese Aussage klang zunächst pragmatisch, doch der Heimleiter erläuterte seine Beweggründe: ‚Eine Abholung mit der Überführungstrage wollen wir hier nicht. Das erinnert zu sehr an Krisengebiete.‘ Dabei ist genau diese Trage aus mehreren Gründen die pietätvollste und praktikabelste Lösung – sowohl aus hygienischer Sicht als auch aufgrund der oft beengten räumlichen Verhältnisse in solchen Einrichtungen.

Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, die mich besonders nachdenklich gemacht hat. Es war eine kalte Nacht im Januar, als ich den Anruf erhielt. Eine Bewohnerin war bereits am frühen Nachmittag verstorben, doch man rief uns erst nach Mitternacht und bat darum, die Abholung noch in der Nacht durchzuführen. Ich fuhr vor und wurde von der Nachtschwester fast schon flüsternd hereingebeten. Die Lichter im Flur waren gedimmt, als wollte man jede Aufmerksamkeit vermeiden.

Im Zimmer der Verstorbenen brannte kein Licht, die Vorhänge waren zugezogen. Alles war darauf ausgerichtet, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Während ich meine Arbeit tat, schlich die Schwester nervös auf Zehenspitzen umher. Ich fragte, ob die Angehörigen bereits informiert seien. Sie nickte und fügte hinzu: „Aber hier im Haus soll es keiner wissen. Sonst macht das nur schlechte Stimmung.“

Es fühlte sich an, als sei der Tod hier ein Makel, etwas, das versteckt und vertuscht werden müsse. Ein natürlicher Teil des Lebens, der einfach nicht in die aufgeräumte Ordnung des Heims passen wollte. Besonders irritierend fand ich, dass von mir verlangt wurde, keine Trage zu verwenden. Der Verstorbene sollte möglichst unauffällig im Rollstuhl durch den Hinterausgang gebracht werden – um ja kein Aufsehen zu erregen. Eine würdevolle Verabschiedung sieht für mich anders aus.

Die Angst vor der Konfrontation

Warum dieser krampfhafte Versuch, den Tod zu verdrängen? In Gesprächen mit Pflegekräften habe ich oft das Gefühl, dass hier vor allem Angst am Werk ist – Angst vor der Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit. Viele Heimbewohner haben bereits enge Freunde und Mitbewohner verloren. Für sie bedeutet jeder Sterbefall auch die Erinnerung daran, dass sie die Nächsten sein könnten. Doch ist es wirklich hilfreich, diesen Gedanken zu verdrängen?

Ich glaube, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Wenn der Tod verschwiegen und versteckt wird, entsteht eine ungesunde Atmosphäre des Unausgesprochenen. Die Bewohner spüren, dass etwas nicht stimmt, auch wenn niemand darüber spricht. Das führt zu Unsicherheit und Angst. Das Gefühl, dass der Tod ein Tabuthema ist, kann die letzte Lebensphase noch belastender machen.

Ein würdevoller Umgang: Offenheit statt Tabu

Zum Glück gibt es auch Altenheime, die einen ganz anderen Weg gehen. In einer Einrichtung erlebte ich eine Szene, die mich tief bewegt hat. Eine Bewohnerin war am frühen Morgen friedlich eingeschlafen. Als ich eintraf, brannte eine Kerze vor ihrer Tür. Auf einem kleinen Tisch lag ein Kondolenzbuch, in das sich bereits einige Mitbewohner und Pflegekräfte eingetragen hatten.

„Hier bei uns gehört der Tod zum Leben dazu“, erklärte mir der Heimleiter. „Unsere Bewohner haben das Recht zu wissen, wenn jemand von ihnen gegangen ist. Sie dürfen trauern und Abschied nehmen – auf ihre eigene Weise.“ Diese Offenheit schaffte eine würdevolle Atmosphäre, in der der Tod zum Leben dazu gehörte. 

Besonders beeindruckend fand ich, dass die Verabschiedung hier mit einer kleinen Zeremonie verbunden war. Im Gemeinschaftsraum wurden Blumen aufgestellt, und wer wollte, konnte eine Kerze entzünden. Einige Bewohner hielten inne und erinnerten sich an gemeinsame Erlebnisse mit der Verstorbenen. Die Pflegekräfte nahmen sich Zeit, um über ihre eigenen Gefühle, aber auch die ihrer Heimbewohner zu sprechen.

Diese Form der Abschiednahme hatte nichts von der beklemmenden Heimlichkeit, die ich aus anderen Einrichtungen kannte. Hier wurde der Tod als natürlicher Teil des Lebens akzeptiert und integriert. Er war kein Schreckgespenst, das versteckt werden musste, sondern ein Anlass für Erinnerung und Gemeinschaft.

Die Bedeutung einer bewussten Trauerkultur

Der Unterschied zwischen Verdrängung und Offenheit liegt nicht nur in der Art und Weise, wie der Tod behandelt wird, sondern auch in den Auswirkungen auf die Lebenden. In den Heimen, in denen das Thema Tod tabuisiert wird, spüre ich oft eine angespannte Stimmung. Die Bewohner wirken verschlossener, die Pflegekräfte gereizter. Die ständige Verdrängung zehrt an den Nerven – das Unausgesprochene lastet auf allen.

In den Einrichtungen jedoch, die den Tod bewusst einbeziehen, spüre ich eine erstaunliche Leichtigkeit. Hier dürfen die Menschen traurig sein, aber sie müssen nicht schweigen. Es gibt Raum für Tränen und Erinnerungen, aber auch für Lachen und Dankbarkeit.

In einem Pflegeheim wurde sogar eine kleine ‚Erinnerungsecke‘ eingerichtet, an der Fotos und persönliche Gegenstände der Verstorbenen ausgestellt werden. Bewohner und Pflegekräfte kommen hier zusammen, um Geschichten zu erzählen und die Verstorbenen in Gedanken lebendig zu halten. Diese gelebte Trauerkultur hilft dabei, den Tod nicht als Bruch, sondern als Teil des Lebensflusses zu begreifen.

Was muss sich ändern?

Der Umgang mit dem Tod in Altenheimen ist nicht nur eine Frage der Philosophie, sondern auch der Führung und Organisation. Es braucht Heimleitungen, die den Mut haben, offen mit dem Thema umzugehen und es nicht aus Angst vor Beschwerden oder schlechter Stimmung zu verdrängen.

Ich wünsche mir mehr Einrichtungen, die ihren Bewohnern die Möglichkeit geben, Abschied zu nehmen – sei es durch eine kleine Zeremonie, ein Kondolenzbuch oder das bewusste Anzünden einer Kerze. Es braucht eine Kultur des Hinschauens und der Achtsamkeit, damit der Tod nicht als Schreckgespenst, sondern als würdiger Teil des Lebens betrachtet wird.

Ein persönliches Fazit

Als Bestatter sehe ich den Tod fast jeden Tag. Doch was ich in den Altenheimen der Region Karlsruhe, Linkenheim-Hochstetten, Eggenstein-Leopoldsahfen und Graben-Neudorf erlebe, zeigt mir immer wieder, dass der Umgang mit dem Tod viel über das Leben aussagt. Wo der Tod tabuisiert wird, da herrscht Angst und Verdrängung. Wo er hingegen mit Offenheit und Würde behandelt wird, finden die Menschen Trost und Gemeinschaft.

Ich hoffe, dass mehr Altenheime den Mut finden, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren und ihren Bewohnern den Raum geben, sich ehrlich damit auseinanderzusetzen. Denn nur so kann ein würdevoller Abschied gelingen.